Resilienz - Was ist das überhaupt?

Der Begriff Resilienz stammt ursprünglich aus der Physik und beschreibt die Fähigkeit eines (Werk-) Stoffes, sich verformen zu lassen und danach wieder unversehrt in die ursprüngliche Form zurückzukehren. Stell dir zum Beispiel einen nassen Schwamm vor, den man zusammendrückt, um das Wasser auszuwringen - und schon hat er wieder seine alte Form. Oder in der Natur ein bewegliches Schilfrohr, das sich im Wind biegt und sich immer wieder aufrichtet.

Die persönliche Resilienz steht für die innere Kraft und Flexibilität, Veränderungen im Leben, Belastungen im Beruf oder Lebenskrisen gut zu meistern und darüber hinaus durch diese Erfahrungen neue Stärken zu entwickeln und persönlich zu wachsen. Und das Gute ist: Resilienz ist ein aktiver und dynamischer Prozess und kein starres Persönlichkeitsmerkmal. Resilienz ist keine individuelle Eigenschaft, die man hat oder nicht hat. Wir können unsere Resilienz trainieren und stärken, ähnlich wie einen Muskel, den man aufbauen kann.

Die Wissenschaft beschreibt sieben Resilienzfaktoren – von diesen „Säulen der Resilienz“ und meinen eigenen Erfahrungen werde ich in diesem Beitrag berichten.


AKZEPTANZ

Die erste Säule der Resilienz ist Akzeptanz. Es geht hierbei um die Fähigkeit, eine Situation oder eine Herausforderung so zu akzeptieren und anzunehmen, wie sie ist. Es bedeutet nicht, diese Situation gutzuheißen, sondern vielmehr darum, nicht dagegen anzukämpfen. Denn das entzieht uns Energie.

Es ist, wie es ist! Herausforderungen und Krisen sind Teil unseres Lebens. Wenn wir zum Beispiel den Arbeitsplatz verlieren, ist unser erster Impuls zu fragen „Warum ich?“ Wir grübeln, fühlen uns irgendwie ausgeliefert und bedauern uns vielleicht sogar. Resiliente Menschen nehmen eine Situation an, wie sie ist und schauen, was sie daraus machen können. Die Einstellung, das Gute im Schlechten zu sehen. Für die persönliche Resilienz ist es wichtig, etwas so anzunehmen, wie es ist, um dann den nächsten Schritt zu gehen.

Mir selbst wurde aus betriebsbedingten Gründen gekündigt. Das ist mir zwei Mal passiert. Natürlich hat mir das nicht gefallen, ich hätte gerne selbst über meinen beruflichen Weg entschieden. Doch die Säule „Akzeptanz“ war bei mir gut ausgeprägt und hat mich getragen. In beiden Situationen habe ich meine Energie nicht allzu lang an das Alte gebunden, sondern meinen Blick auf das Gute gerichtet, was kommen soll.

OPTIMISMUS

Optimismus ist neben der Fähigkeit zur Akzeptanz ein starker Resilienzfaktor. Resiliente Menschen sind fest davon überzeugt, dass sich die Dinge früher oder später zum Positiven wenden. Sie halten daran fest, dass etwas auch wieder besser werden kann. Im Laufe des Lebens erleben wir immer wieder Rückschläge und Enttäuschungen: Vielleicht wird die angestrebte Projektleitung an jemand anderen vergeben, der nächste Karriereschritt misslingt, oder ein wichtiger Kundenauftrag geht verloren. Sowohl in meiner Zeit als Vertriebsmitarbeiterin als auch als Selbstständige bin ich diesen Situationen begegnet.

Menschen, die gut mit Stress und Krisen umgehen können, generalisieren bei Misserfolgen nicht mit dem Gedanken "Ich schaffe es nie!", sondern denken eher "Dieses Mal hat es nicht geklappt, später aber wieder." Eine belastende Situation als vorübergehendes Ereignis sehen und optimistisch in die Zukunft blicken – damit kann eine Herausforderung durchaus an Dramatik verlieren.

So kannst du optimistisches Denken kultivieren:

- Halte dir deine Erfolge vor Augen.
- Führe ein Tagebuch, in dem du positive Erlebnisse einträgst.
- Sei stolz auf das, was du schon erreicht hast und was du kannst.

LÖSUNGSORIENTIERUNG

Die Lösungsorientierung ist ein sehr wirkungsvoller Resilienzfaktor. Es geht um die Suche nach Handlungsoptionen und Chancen – auch in Krisen. Resiliente Menschen schaffen es auch in schwierigen Situationen, aktiv zu werden und Schritte in die Wege zu leiten, um diese Zeit zu überwinden.

Im Job oder zu Hause gibt es Probleme und Herausforderungen? Veränderungen, die uns nicht gefallen? Eine schwierige Situation oder ein belastendes Ereignis? Wir dürfen uns darüber sicherlich beschweren, den eigenen Unmut aussprechen, alles mal „rauslassen“.

Oft habe ich das selbst erlebt: ermüdende Diskussionen ohne Ergebnis, frustrierendes Sich-im- Kreis-drehen, tausend Gründe, warum etwas nicht funktioniert. Doch irgendwann geht es darum, in diesem Prozess eine Lösung zu finden. Ins Tun zu kommen, statt nur zu reden (oder gar zu jammern…?). Es ist so spannend, inspirierend und befreiend, den Blick zu weiten und neue Möglichkeiten und Chancen zu erkennen.

Was hat bei mir die Lösungsorientierung bewirkt? Nach über 25 Jahren im Angestelltenverhältnis habe ich mich selbständig gemacht. Für mich die perfekte Lösung, um unabhängig nach meinen Vorstellungen und Werten arbeiten zu können und Menschen mit meinem Herzensthema – der psychischen Gesundheit -  zu unterstützen.

Hast du das Gefühl, festzustecken und nicht weiterzukommen? Dann mach einen Naturspaziergang! Die bewusste Bewegung beim Gehen in der Natur lässt auch den Geist in Bewegung kommen.

OPFERROLLE VERLASSEN

Dieser Resilienzfaktor ist eine echte Herausforderung! Viele Menschen geraten bei unvorhergesehen Ereignissen oder gar Schicksalsschlägen in eine Art Opferstarre. Sie fragen nach dem Warum, suchen die Schuld vielleicht bei sich selbst, fühlen sich niedergeschlagen und depressiv. Oder sie suchen die Schuld bei anderen - das macht es manchmal leichter und irgendwie erträglicher. Resiliente Menschen hingegen glauben an die eigenen Stärken und Kompetenzen. Statt in die Opferrolle zu schlüpfen und zu jammern, werden sie lieber aktiv. Passiv zu bleiben, im Schmerz und in der Opferrolle zu verharren, bringt uns nicht weiter und sorgt erst recht nicht für neue Lebenskraft.

Eine meiner Klientinnen hat sich vor einigen Tagen bei mir bedankt. Nach einem unserer Gespräche hat sie beschlossen, nicht weiter Opfer der Umstände sein zu wollen. Sie ist überzeugt davon, dass sie selbst etwas bewirken kann, dass sie fähig ist zu lernen und mutig neue Wege gehen kann. „Ich bin Gestalterin meines Lebens“ – dieser Satz hat ihre Sicht auf die Dinge verändert. Ein sehr  kraftvolles, inspirierendes und zugleich tröstliches Bild, wie ich finde.

Du fragst dich vielleicht, wie du es schaffst, die Opferrolle zu verlassen? Nimm ein Blatt Papier und schreibe auf:

- Darin bin ich richtig gut
- Das schätzen viele an mir
- Meine besten Eigenschaften

Das fällt dir schwer? Frage einen guten Freund/eine gute Freundin, wie er/sie dich einschätzt!

VERANTWORTUNG ÜBERNEHMEN

Was hat das mit Resilienz zu tun? Für die persönliche Widerstandskraft ist es wichtig, eigenverantwortlich zu handeln, sein Leben selbst zu gestalten und seine Ziele aktiv zu verfolgen. Menschen, die Verantwortung für sich selbst übernehmen, haben den Mut, zu sich und zu ihrem Denken und Handeln zu stehen.

Verantwortung übernehmen heißt,
… die Schuld für Fehler oder eigene Probleme nicht bei anderen zu suchen
… Entscheidungen zu treffen, die vielleicht nicht angesagt oder beliebt sind
… die Konsequenzen eigener Entscheidungen und Handlungen zu tragen
… aus Fehlern zu lernen und sich weiterzuentwickeln

Verantwortung übernehmen heißt auch,
… für mich und mein eigenes Wohlergehen zu sorgen (= Selbstfürsorge)
... mich um meine körperliche und mentale Gesundheit zu kümmern
… mir meiner Stärken und Schwächen bewusst zu sein
… für meine Wünsche und Bedürfnisse einstehen zu können

Verantwortung zu übernehmen, erscheint nicht immer leicht. Doch die „Belohnung“ dafür ist das Erleben von Selbstbestimmtheit und Selbstwirksamkeit. Die Fähigkeit, Verantwortung zu übernehmen, unterstützt mich dabei, mich an Veränderungen anzupassen, Schwierigkeiten zu bewältigen und persönlich zu wachsen. Und im besten Fall führt der eigenverantwortliche Umgang mit mir selbst auch zu einem wertschätzenden Umgang mit anderen Menschen.

BEZIEHUNG GESTALTEN

Dieser Resilienzfaktor beschreibt die Fähigkeit, tragfähige Beziehungen im Leben aufzubauen. Untersuchungen zeigen, dass unser Glücksempfinden wesentlich von tragfähigen Beziehungen abhängt, sowohl in der Familie als auch im Kreise unserer Freunde und Kollegen. Für unsere seelische Widerstandkraft ist es sehr förderlich, sich mit vertrauten und wohlwollenden Menschen zu umgeben. Freunde und Familie können dabei eine wichtige Ressource sein.

Es geht nicht darum, einen möglichst großen Freundes- und Bekanntenkreis zu haben, viele Kontakte und jede Menge Bezugspersonen. Es geht darum, sich mit Menschen zu umgeben, die einfühlend und unterstützend sind, die mir Mut machen und mich an meine Stärken erinnern. Es geht darum, gute und langanhaltende Beziehungen zu gestalten. Für die persönliche Resilienz ist es hilfreich, sich ein Netzwerk aufzubauen von Personen, die sich unterstützen und gegenseitig helfen, sowohl beruflich als auch privat. Sich mit Menschen zu verbinden, die zu mir, meinen Interessen und Werten passen. So müssen Herausforderungen nicht im Alleingang gelöst, sondern können gemeinsam mit anderen Menschen bewältigt werden.

Beziehung gestalten bedeutet aber auch, mit mir selbst eine gute Beziehung zu führen. Die Fähigkeit zur Selbstwahrnehmung und die Bereitschaft zur Selbstreflexion. Zu wissen, was mir guttut und was nicht, was ich in bestimmten Situationen brauche und dafür einzustehen. Selbstfürsorge ist die Basis für persönliche Resilienz und hilft dabei, langfristig gesund zu sein.

Mit meinen Klientinnen und Klienten mache ich dazu gerne eine Übung und bitte sie, über folgende  Fragen nachzudenken, am besten mit Zettel und Stift:

- Was würde mir so richtig guttun? Was bereitet mir richtig viel Freude? Wie oft mache ich das? Und wie kann ich mehr davon in meinen Alltag integrieren?
- Wie gestaltet sich ein typischer Tag und eine typische Woche? Womit verbringe ich meine Zeit? Mit welchen Menschen verbringe ich meine Zeit? Und welche Gefühle habe ich jeweils dabei?

ZUKUNFTSORIENTIERUNG

Die Zukunftsorientierung als 7. Säule der Resilienz gibt deinem Leben eine Richtung. Resiliente Menschen denken langfristig und entwickeln für sich realistische Ziele. Sie setzen sich damit auseinander, was ihnen die Zukunft bringen soll. Sie planen und gestalten ihr Leben bewusst und warten nicht darauf, dass etwas „einfach so passiert“. Diverse Studien belegen, dass Menschen, die ein klares Ziel vor Augen haben, aktiver und zuversichtlicher sind.

Natürlich laufen die Dinge nicht immer so, wie geplant. Manchmal muss man Hindernisse überwinden, Umwege gehen oder eine neue Richtung einschlagen, um ans Ziel zu kommen. Dabei ist es wichtig, seine Vision nicht aus den Augen zu verlieren. Die Fähigkeit, sich neuen Situationen anzupassen,  sich neu zu orientieren und seine Ziele fokussiert und motiviert weiterzuverfolgen, kann man trainieren.

Für mich bedeutet Zukunftsorientierung auch, nicht strikt an Plan A festzuhalten, sondern auch noch andere Pläne in der Tasche zu haben. Zukunftsorientierung bedeutet für mich, mich nicht völlig festzulegen, gedanklich immer mal wieder verschiedene Möglichkeiten durchzuspielen und offen zu sein für Neues: Wie könnte mein Leben sonst noch so aussehen? Was hält die Zukunft Schönes für mich bereit? Was würde ich beruflich machen, wenn ich meinen Job verlieren? Wo würde ich leben, falls mir meine Wohnung gekündigt wird? Mit dieser Haltung können mich Wendepunkte im Leben nicht so leicht aus der Bahn werfen. Weil ich mich gedanklich schon „auf mein Leben danach“ vorbereitet habe, kann ich diese Herausforderungen souveräner und schneller meistern.

Jobverlust und Wohnungskündigung habe ich übrigens selbst erlebt. Natürlich hat mir das nicht gefallen. Den Zeitpunkt für eine berufliche Veränderung und für einen Umzug hätte ich gerne selbst bestimmt. Doch mit positiven Bildern von meiner Zukunft fühlte ich mich zuversichtlicher und gelassener.

ZUSAMMENFASSUNG

1) Akzeptanz
2) Optimismus
3) Lösungsorientierung
4) Opferrolle verlassen
5) Verantwortung übernehmen
6) Beziehung gestalten
7) Zukunftsorientierung

Viele Psychologen sind der Auffassung, dass dies die 7 „echten“ Resilienzfaktoren sind. Natürlich gibt es noch viele weitere Wissenschaftler und Autoren, die auch andere Faktoren benennen, wie beispielsweise Selbstbewusstsein, Empathie oder die Fähigkeit, seine Emotionen regulieren zu können. Das ist auch völlig in Ordnung so. Die Resilienzforschung steckt eigentlich noch in den Kinderschuhen und ich finde es sehr spannend, wenn unterschiedliche Ergebnisse zustande kommen.



 


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